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Planet der Habenichtse

Eines der besten Werke der Science-Fiction des 20.Jahrhunderts ist zweifelsohne "Planet der Habenichtse" (Originaltitel: "The Dispossessed" - die Besitzlosen) von Ursula K. Le Guin. In diesem Roman steht nicht die Beschreibung futuristischer Technik im Vordergrund. Es ist vielmehr die Utopie einer Gesellschaftsordnung, die sich vom Kapitalismus losgesagt hat und nach kommunistischen Grundlagen aufgebaut ist. In einem fernen Sonnensystem: Nach der Niederschlagung der Revolution auf Urras, erlaubte man den Überlebenden, um sie loszuwerden, auf den Nachbarplaneten Anarres auszuwandern, um dort eine Gesellschaft nach ihren Idealen aufzubauen. Die neue Heimat der “Anarchisten” war ein unwirtlicher Wüstenplanet, auf dem es weder eine reiche Vegetation, noch höherentwickelte Tiere gab. Das Lebensnotwendigste musste der menschenfeindlichen Natur mit harter, gemeinsamer Arbeit abgerungen werden. Und auch nachdem Anarres besiedelt und das Überleben der Anarresti gesichert war, wurde aus der kargen Natur des Planeten kein Paradies.

habn.jpg (20143 bytes)Die Geschichte selber entspinnt sich um Shevek, der Jahrzehnte nach der Besiedelung auf Anarres geboren wird. Als Physiker macht Shevek eine Erfindung, die revolutionär für die Raumfahrt sein könnte. Der Isolationismus seiner Welt und die Ablehnung seiner Idee durch seine Arbeitskollegen führen schließlich dazu, dass sich Shevek entschließt, eine Einladung nach Urras anzunehmen, auch wenn er damit für viele auf seiner Welt als Verräter gilt.

Auf Urras wird er mit einer Welt konfrontiert, die alle Ressourcen im Überfluss besitzt, in der es aber trotzdem nicht genug für alle gibt. Denn die Schönheit der reichen und vielfältigen Natur ist nur die eine Seite. Die Gesellschaft auf Urras ist hochkapitalistisch - ein Spiegelbild der westlichen Staaten auf der Erde. Und so existiert arm neben reich, obwohl doch eigentlich genug für alle da wäre - und natürlich gibt es gesellschaftliche Kämpfe ob dieser Ungerechtigkeit.

Shevek kam in dem Glauben nach Urras, dort frei wissenschaftlich arbeiten zu können. Doch schon bald muss er feststellen, dass er nur den antikommunistischen Propagandazwecken der Ausbeuter auf Urras dienen soll. Schließlich verweigert er sich der Ausnutzung durch die Herrschenden und findet Kontakt zur Widerstandsbewegung.

Der besondere Reiz für den Leser liegt darin, diese kapitalistische Gesellschaft mit den Augen eines Außenstehenden zu sehen. Ursula Le Guin ist es gelungen, unvoreingenommen und mit Distanz die herrschenden Verhältnisse zu betrachten. Bei vielen Dingen, die uns im alltäglichen Leben ganz normal vorkommen, wird man sich dadurch erst ihrer Absurdität bewusst.

In Sheveks Erinnerungen und Rückblenden erlebt der Leser außerdem die kommunistische Gesellschaft der Anarresti, die auf dem Gebot der Brüderlichkeit basiert. Der Autorin gelingt es dabei, diese Gesellschaft mit ihren Problemen nicht nur kurz zu umreißen, sondern auch Details anzusprechen, so die turnusmäßige Erledigung ungeliebter oder gefährlicher “Schmutzarbeiten”, die (überzogene) Ablehnung von Privatbesitz oder die gemeinschaftliche Erziehung der Kinder.

Dabei geht es Ursula Le Guin nicht darum, eine perfekte Gesellschaft zu präsentieren. Sie zeigt deutlich, wo die Gefahren und möglichen Abweichungen liegen können. Zwar wird die Aneignung von Mehrbesitz schon durch die Art der Gesellschaft verhindert, da aber die Gemeinschaftlichkeit für die Anarresti so überlebenswichtig ist, spielt die öffentliche Meinung eine sehr große Rolle. Sie wird teilweise so zwingend, dass sie die Individualität beschneidet. Aber die Gesellschaft auf Anarres ist andererseits optimal, denn sie bietet gleichzeitig alle Möglichkeiten, um solche Abweichungen wieder zu korrigieren.

Und so kehrt Shevek am Ende wieder nach Hause, nach Anarres, zurück - mit leeren Händen, aber mit der festen Absicht, die Welt zu verändern - und zwar nicht im Sinne der Ausbeuter, sondern im Sinne der ursprünglichen Ideale seiner Welt.

Ursula K. Le Guin, deren Erzählungen und Romane mehrfach preisgekrönt wurden, ist nicht nur Freunden der Fantasy ein Begriff. “Planet der Habenichtse” bildet sowohl einen Höhepunkt im Schaffen der Autorin als auch einen Höhepunkt in der ScienceFiction allgemein. Es kommt eher selten vor, dass sich ein Schriftsteller an einer positiven Gesellschaftsutopie versucht. Dabei geht es auch gar nicht darum, dass dem Leser alles gefällt. Aber die von Ursula Le Guin beschriebene konkrete Umsetzung gesellschaftlicher Erfordernisse bietet viele Ansatzpunkte für eigene Überlegungen.

Die kargen Ressourcen auf Anarres widerlegen ein wichtiges Vorurteil. Nach Ansicht einiger Linker kann die kommunistische Gesellschaft erst errichtet werden, nachdem die Wirtschaft so weit entwickelt ist, dass die freie Verfügbarkeit von Waren gewährleistet werden kann. Sie übersehen, dass sich Kommunismus vor allem auf die Art und Weise der Ausgestaltung des gesellschaftlichen Lebens bezieht (Verteilung von Gütern, gemeinschaftliche Planung und Beschlussfassung, etc.) und nicht auf das wirtschaftliche Niveau. Sicher werden an die Komponenten der kommunistischen Gesellschaft - Bewusstheit und Gemeinschaftlichkeit - in einer Mangelgesellschaft höhere Ansprüche gestellt als in einer Überflussgesellschaft. Aber erst die Schaffung des entsprechenden “Seins” ermöglicht die Entwicklung eines entsprechenden Bewusstseins. Und auch in einer Überflussgesellschaft wird es immer zumindest zeitweilig Mangelgüter geben. “

Planet der Habenichtse” ist ein sehr empfehlenswertes Buch, dass vor allem für ehemalige DDR-Bürger und Sozialismuskritiker ein Muss ist. - Ein anschauliches, spannendes “Lehrbuch” über eine kommunistische Gesellschaft.

Planet der Habenichtse; Ursula K. Le Guin; Heyne Science Fiction & Fantasy, Band 06/4661 Haben_d.gif (11790 bytes)Kaufen:

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Letzte Änderung: 27. März 2000 - © Science & Fantasy 1998-2000